communication works

Diesel- und Kartell-Skandal

Auf Crashkurs

Zumindest die Juristen von Daimler, Volkswagen und BMW dürften zufrieden sein. Wer in den Tagen nach Bekanntwerden der Kartell-Vorwürfe gegen die deutschen Autobauer auf deren Internetseiten nach Kommentaren der Unternehmen zu dem Thema sucht, findet – nichts*. Daimlers aktuelle Meldungen drehen sich um Autorennen, BMW schreibt von der Gala zum Bayerischen Sportpreis in der BMW Welt München, und VW informiert über Initiativen zur Sicherheit am Arbeitsplatz.

27. Juli 2017

Das Schweigen der Konzerne ist aus Sicht ihrer Rechtsabteilungen richtig angesichts der laufenden Ermittlungen. Jede Äußerung außerhalb des Verfahrens birgt das Risiko, sich selbst zu belasten oder die geforderte Vertraulichkeit der Zusammenarbeit mit den Behörden zu verletzen. „Kein Kommentar“ ist daher für Juristen die perfekte Kommunikationsstrategie.

Alle anderen dürfte es irritieren, dass die Akteure selbst nichts zu sagen haben zu den schwer wiegenden Vorwürfen, sie hätten sich seit Jahrzehnten heimlich und illegal mit ihren Konkurrenten zu Technik und Preisen abgesprochen, zu Lasten von Zulieferern und Kunden.

 

„Kein Kommentar“ ist auch keine Lösung

In der Kommunikationsforschung weiß man spätestens seit Paul Watzlawick 1967: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Wer nichts sagt, sendet dennoch Signale und lädt zu Mutmaßungen ein: Ist das Schweigen der Autokonzerne ein Schuldeingeständnis, zeigt es Arroganz (es gibt wichtigere Themen, etwa die neue Modellreihe), Angst oder fehlende Verantwortung?

Volle Fahrt gegen die Wand: deutsche Autobauer auf Crashkurs / Foto: Vladyslav Topyekha, Pixabay

 

In jedem Fall ist „kein Kommentar“ Ausdruck der fatalen Fehleinschätzung, das Wichtigste sei, keine Fehler zu machen. Dieser Logik folgt auch die Orientierung der Unternehmen an „Compliance“, der Einhaltung geltenden Rechts.

Nun besteht ja gerade der Verdacht, dass die Konzerne das Recht gebrochen haben. Aber auch sonst reicht es nicht, Gesetze zu befolgen – wer als Unternehmen den Respekt der Öffentlichkeit und das Vertrauen der Kunden verdienen will, muss mehr tun, nämlich glaubwürdig einstehen für die Ansprüche und Werte, die er selbst formuliert: Immerhin will Daimler als „Unternehmensbürger“ „über unsere Geschäftstätigkeit hinaus zum Gemeinwohl beitragen“, VW möchte „Vorbild bei Umwelt, Sicherheit und Integrität“ sein und BMW die „Zukunft nachhaltig gestalten“.

Jetzt aber tauchen sie erst mal ab, die Gestalter, Vorbilder und Unternehmensbürger.

 

Zetsche: „Gut beraten“, nichts zu sagen?

* Doch halt – einer taucht wieder auf: Am Mittwoch in der Woche nach Bekanntwerden der Kartell-Vorwürfe veröffentlicht Daimlers Vorstandschef Dieter Zetsche eine Erklärung. Oder jedenfalls einen Text mit dem Titel „Die aktuelle Lage“. „Reden wir nicht drumherum“, beginnt es vielversprechend. Dann folgt bereits Bekanntes („Medienberichte“, „Verdacht“, „kartellrechtswidrige Absprachen“, „Europäische Kommission prüft“).

„Ich weiß, viele von uns wünschen sich schon jetzt mehr Klarheit“, schreibt Zetsche, um, dem Leser schwante es bereits, diesem Wunsch in aller Klarheit eine Absage zu erteilen: „Wir sind aber gut beraten, uns nicht an Spekulationen zu beteiligen.“

Wer mag dem Daimler-Chef zu dieser wortreichen Variante des „kein Kommentar“ geraten haben? Vielleicht die gleichen Juristen, die, wenn die Medienberichte zutreffen, die Selbstanzeige des Unternehmens so rechtzeitig auf den Weg gebracht haben, dass Daimler als Kronzeuge gegen die eigene Branche möglicherweise straffrei ausgeht, während den Konkurrenten Milliardenstrafen drohen?

Die Kartell-Vorwürfe und der Diesel-Skandal werden, so ist zu hoffen, aufgeklärt werden. Die Akteure wären gut beraten, sich daran öffentlich zu beteiligen. Sie könnten sonst mehr verlieren als ein paar Milliarden Euro an Strafzahlungen: das Vertrauen der Kunden in ihre Unternehmen und ihre Marken. Und damit den Motor ihrer derzeit noch guten Geschäfte.

Text: Ivo Banek