Renewables 2022 Global Status Report
Trotz des Versprechens eines grünen Aufschwungs nach der Coronapandemie ist diese historische Chance vertan. Der Renewables 2022 Global Status Report (GSR2022) von REN21 sendet eine deutliche Warnung, dass die Energiewende nicht stattfindet. Damit wird es unwahrscheinlich, dass die Welt kritische Klimaziele in diesem Jahrzehnt erreicht. In der zweiten Hälfte des Jahres 2021 begann die größte Energiekrise der Geschichte, die mit Beginn des Jahres 2022 durch den Einmarsch Russlands in der Ukraine noch verschärft wurde und einen noch nie da gewesenen globalen Preisschock auslöste.
16. Juni 2022
„Obwohl sich deutlich mehr Regierungen in 2021 zu Netto-Null-Treibhausgasemissionen verpflichtet haben, sieht die Realität so aus, dass viele Länder als Reaktion auf die Krise wieder neue Quellen für fossile Brennstoffe erschließen und mehr Kohle, Gas und Öl verbrennen“, sagt REN21- Exekutivdirektorin Rana Adib.
Der GSR zieht jährlich Bilanz zur weltweiten Entwicklung der erneuerbaren Energiequellen. Der Bericht für 2022 ist die 17. Ausgabe in Folge und belegt, wovor Experten immer wieder gewarnt haben: Der Gesamtanteil der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch stagniert (8,7 Prozent im Jahr 2009 gegenüber 11,7 Prozent im Jahr 2019) – die Umstellung des Energiesystems auf erneuerbare Energien findet nicht statt.
Im Elektrizitätssektor konnten die Rekordzuwächse bei der Stromkapazität (314,5 GW bzw. +17 Prozent gegenüber 2020) und der Erzeugung (+7.793 TWh) den Anstieg des Stromverbrauchs um 5 Prozent nicht auffangen. Im Bereich Heizen und Kühlen stieg der Anteil der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch von 8,9 Prozent in 2009 auf 11,2 Prozent. Im Verkehrssektor, der 32 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs ausmacht, ist der mangelnde Fortschritt besonders besorgniserregend: von 2,4 Prozent im Jahr 2009 stieg er auf lediglich 3,7 Prozent im Jahr 2019.
Erstmalig zeigt der GSR auf einer Weltkarte die Anteile erneuerbarer Energien pro Land und hebt Fortschritte in einigen führenden Ländern hervor.
Im Vorfeld zum UN-Klimagipfel COP26 im November 2021 hatte eine Rekordzahl von 135 Ländern zugesagt, bis 2050 Netto-Null-Treibhausgasemissionen zu erreichen. Aber nur 84 dieser Länder haben sich wirtschaftsweite Ziele für erneuerbare Energien gesetzt, und nur 36 haben Ziele für 100 Prozent erneuerbare Energien. Zum ersten Mal in der Geschichte der UN-Klimagipfel wurde in der Abschlusserklärung die Notwendigkeit erwähnt, die Kohlenutzung zu reduzieren. Aber es gelang nicht, sich auf konkrete Reduktionsziele für Kohle und alle fossilen Brennstoffe zu einigen.
Der GSR2022 macht deutlich, dass massive Anstrengungen notwendig sein werden, um die Netto- Null-Zusagen in die Realität umzusetzen. Das Momentum der Pandemie ist ungenutzt verpufft. Den vielerorts ergriffenen, wichtigen grünen Konjunkturmaßnahmen zum Trotz trug der starke wirtschaftliche Aufschwung mit einem weltweiten realen Wachstum des BIP von 5,9 Prozent zu einem Anstieg des Endenergieverbrauchs um 4 Prozent bei und machte damit den Effekt des Wachstums der erneuerbaren Energien zunichte. Allein in China stieg der Endenergieverbrauch zwischen 2009 und 2019 um 36 Prozent. Der größte Teil des Anstiegs des Energieverbrauchs wurde durch fossile Brennstoffe gedeckt, was mit über zwei Milliarden Tonnen CO2 zum größten Anstieg der globalen Emissionen in der Geschichte führte.
Mit der dem größten Energiepreissprung seit der Ölkrise von 1973 markierte das Jahr 2021 auch das Ende der Ära billiger fossiler Brennstoffe. Die Gaspreise erreichten in Europa und Asien rund das Zehnfache des Vorjahresniveaus und verdreifachten sich in den USA, wodurch Ende 2021 auch die Stromgroßhandelspreise in großen Märkten in die Höhe schossen. Die russische Invasion in der Ukraine hat diese sich abzeichnende Energiekrise noch verschärft und eine beispiellose Schockwelle bei den Rohstoffpreisen ausgelöst. Dadurch wird das weltweite Wachstum und insbesondere die 136 Länder, die von fossilen Importen abhängigen sind, schwer belastet.
„Das alte Energiesystem bricht direkt vor unseren Augen zusammen und mit ihm die Weltwirtschaft“, sagt Adib. „Dabei müssen Krisenbewältigung und Klimaziele nicht im Widerspruch zueinanderstehen. Erneuerbare Energien sind die beste und erschwinglichste Lösung, um Preissteigerungen entgegenzuwirken. Wir müssen den Anteil der erneuerbaren Energien erhöhen und sie zu einer Priorität der Wirtschafts- und Industriepolitik machen, statt noch mehr Öl ins Feuer zu gießen.“
Die Drohungen Russlands, die Gas- und Öllieferungen insbesondere nach Europa zu stoppen, unterstreichen die Dringlichkeit. Um die Krise zu bekämpfen, haben die Europäische Union, nationale und lokale Regierungen ihre Ziele für saubere Energie angehoben und treiben zahlreiche Maßnahmen zur Beschleunigung der Energiewende voran. Sie greifen aber auch weiterhin auf alte Rezepte zurück. Obgleich einige Länder, wie z.B. Großbritannien, neue Steuern auf die Gewinne der Energieriesen angekündigt haben, haben gleichzeitig die meisten Länder neue Subventionen für fossile Energien eingeführt. Die Kohle-, Öl- und Erdgasindustrien sind die größten Nutznießer der Energiekrise und der Regierungsmaßnahmen zu ihrer Bekämpfung, da diese sowohl ihre Profite als auch ihren Einfluss vergrößern.
Der GSR2022 dokumentiert, dass Subventionen für die Produktion und den Verbrauch fossiler Brennstoffe immer noch die erste Wahl der Regierungen sind, um die Auswirkungen der Energiekrise abzumildern – allen neuen Klimazusagen zum Trotz. Zwischen 2018 und 2020 gaben sie ganze 18 Billionen USD – 7 Prozent des globalen 2020 BIP – an Subventionen für fossile Brennstoffe aus, während sie in manchen Fällen gleichzeitig die Unterstützung für erneuerbare Energien (z. B. Indien).
Dieser Trend offenbart eine besorgniserregende Kluft zwischen Ambitionen und Handeln. Er ignoriert das Ausmaß der Möglichkeiten, die eine auf erneuerbaren Energien basierende Wirtschaft und Gesellschaft mit sich bringen. Dazu gehört auch eine diversifizierte und integrative Energiewirtschaft mit lokalisierter Erzeugung und Wertschöpfungsketten. Länder mit einem höheren Anteil erneuerbarer Energien an ihrem Gesamtenergieverbrauch genießen ein höheres Maß an Energieunabhängigkeit und -sicherheit.
„Anstatt die erneuerbaren Energien auf die lange Bank zu schieben, sollten Regierungen direkt erneuerbare Energieanlagen in sozial schwachen Haushalten finanzieren, anstatt fossile Brennstoffe zu subventionieren, um die Energierechnungen zu senken. Trotz der Vorabinvestition wird sich der erneuerbare Weg als der günstigere herausstellen „, sagt Adib.
„Wir fordern kurz- und langfristige Ziele und Pläne für den Umstieg auf erneuerbare Energien in Verbindung mit klaren Ausstiegsdaten für fossile Brennstoffe,“ sagt REN21 Präsident Arthouros Zervos. „Die Steigerung erneuerbarer Energien muss ein Key Performance Indikator in allen Wirtschaftszweigen werden.“
„Die Energiewende ist unsere Lebensversicherung“, sagt die spanische Vize-Premierministerin und Ministerin für den ökologischen Übergang und Demografie, Teresa Ribera. „Sie ermöglicht innovative Geschäftsmodelle und Organisationsformen, die Transformation von Wertschöpfungsketten, die Umverteilung wirtschaftlicher Macht und eine stärkere Ausrichtung auf den Menschen. Mit den richtigen Investitionen in Technologiesouveränität sind erneuerbare Energien die einzigen Energiequellen, die jedem Land der Welt eine Chance auf mehr Energieautonomie und -sicherheit bieten.“
REN21 ist die einzige globale Community von Akteuren aus Wissenschaft, Hochschulen, Regierungen, Nicht-Regierungsorganisationen und der Industrie in allen Bereichen der erneuerbaren Energien. Die Community ist das Herzstück der Daten- und Berichtskultur.
Seit 2019 unterstützt Communication Works REN21 in der externen Kommunikation, unter anderem durch die Erstellung von Pressemitteilungen oder Kernaussagen für die Renewables Global Status Reports und Renewables in Cities Reports.