Ausstellung in Berlin
Eine Ausstellung in Berlin präsentiert ein Modell für eine bessere Welt. Das funktioniert auch als Rezept fürs Kommunikations-Handwerk, hat Ivo Banek von Communication Works herausgefunden.
28. März 2017
Der goldene Empfangstresen in der kathedralenhohen Halle signalisiert: Hier geht es um Bedeutendes. Um was, das steht in goldenen Lettern an der Wand hinter dem Tresen: „I will always be too expensive to buy“, zu Deutsch: „Ich werde immer zu teuer sein, um gekauft zu werden.“
Foto: © Adrian Piper Research Archive Foundation Berlin
Das ist die „Spielregel Nummer 1“ für „The Probable Trust Registry“ – „das Verzeichnis der wahrscheinlich Vertrauenswürdigen“, ins Leben gerufen von der amerikanischen Künstlerin und Philosophin Adrian Piper. Sie hat das Projekt initiiert, das derzeit im Museum „Hamburger Bahnhof“ in Berlin zum Mitmachen einlädt und „eine neue Basis des Vertrauens zwischen den Menschen“ schaffen will.
Vertrauen ist auch die Währung in meiner Profession, der Kommunikation. Daher sehe ich mir die Sache mal an und bleibe bei der ersten Spielregel stehen.
Dass ich mich niemals kaufen lasse – das kann ich wohl versprechen, denke ich. „Kommt drauf an, wie Sie das verstehen“, gibt die Mitarbeiterin hinter dem Tresen zu bedenken. „Ich hatte hier schon Künstler, die haben gesagt: ,In meiner Arbeit steckt immer ein Stück von mir.‘ Deshalb haben die nicht unterschrieben.“
Nun bin ich kein Künstler, jedenfalls nicht von Beruf. Aber auch in meiner Arbeit als Kommunikationsberater steckt viel von mir persönlich. Und ich berate alle möglichen Kunden mit den unterschiedlichsten Wünschen. Was heißt es da, sich nicht kaufen zu lassen? – Für mich bedeutet es, dass ich meine Prinzipien nicht für Geld verrate. (Natürlich auch für nichts anderes.) Trotzdem kann ich mit Menschen Kontakt haben, die meine Prinzipien nicht teilen. Ich kann sogar für solche Auftraggeber arbeiten.
Allerdings kommen wir vermutlich schnell an einen entscheidenden Punkt: Ich bin überzeugt, dass Kommunikation immer etwas mit Werten zu tun hat. Ein Unternehmen kann auf Dauer nur dann erfolgreich kommunizieren (und erfolgreich sein), wenn es sich nicht nur um seinen Gewinn kümmert, sondern glaubwürdig für Ziele eintritt, die seinen Kunden und anderen Interessenten wichtig sind. Das meinem Auftraggeber zu vermitteln, ist ein wichtiger Teil meiner Arbeit. Beim Durchtricksen würde ich nicht helfen – aus Prinzip, und auch aus professioneller Überzeugung.
Also unterschreibe ich auf dem Touchscreen am goldenen Tresen, dass ich mich niemals kaufen lassen werde, und bekomme einen Ausdruck ausgehändigt – einen Vertrag mit mir selbst.
Um vertrauenswürdig zu werden, müsse sich jeder darauf verlassen können, die eigenen Erwartungen an sich selbst zu erfüllen, sagt Adrian Piper zum Ziel ihres Projekts. Das setze voraus, „dass wir unsere Handlungen in Einklang mit unseren Behauptungen, unsere Behauptungen in Einklang mit unseren Meinungen, und unsere Meinungen in Einklang mit unseren Werten bringen können“.
Dazu passt Spielregel Nummer 2: „Ich werde immer meinen, was ich sage.“ – Hm. In meiner früheren Arbeit als Pressesprecher habe ich natürlich dann und wann Dinge gesagt, die nicht unbedingt meiner persönlichen Meinung entsprachen. Aber: In allen diesen Fällen war klar, für wen ich spreche. Meine Rolle war transparent, ich habe mich nicht dahinter versteckt.
Authentisch sein ist ein Gebot aller Kommunikation. In meiner Funktion als Berater heißt das auch, meinen Auftraggebern nicht nach dem Mund zu reden, sondern kritische Dinge und andere Sichtweisen offen anzusprechen. Davon profitiert vor allem der Kunde, denke ich.
Ich unterschreibe und bekomme einen zweiten Vertrag ausgedruckt.
„Ich werde immer das tun, was ich sage.“ – Die dritte und letzte Spielregel trifft ins Herz der professionellen Kommunikation. Wir beschäftigen uns viel mit Erwartungen anderer. Je genauer wir diese Erwartungen kennen, desto mehr richten wir unsere Botschaften darauf aus. Die Versuchung ist groß, zu versprechen, was erwartet wird, ohne sicher zu sein, das auch einhalten zu können. Das hat Tradition, von bunten Reklame-Versprechen bis zu Wahlkämpfen.
Allerdings funktioniert es immer weniger. Interessant: Je mehr wir von virtuellen Realitäten und alternativen Fakten umgeben sind, desto wichtiger wird es offenbar, andere beim Wort nehmen zu können. Nachhaltige Kommunikation muss daher sorgfältig überlegen, welche Zusagen sie macht, statt leichtfertig zu viel zu versprechen.
Ich unterschreibe auch den dritten Vertrag und gehe meiner Wege.
Eine gute halbe Stunde war ich im Museum, habe mit anderen Besuchern geplaudert und über die drei Sätze nachgedacht. Die Liste mit den Namen aller, die unterschrieben haben – das „Verzeichnis der wahrscheinlich Vertrauenswürdigen“ – soll hundert Jahre aufbewahrt werden.
Viel Zeit also, mich an meinen Versprechen messen zu lassen.
Die Ausstellung läuft noch bis zum 3. September 2017.