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Fernwärme in UK

Herzen gewinnen

In britischen Städten sollen Gasheizungen durch Fernwärme-Netze ersetzt werden, aber die Technologie stößt auf Vorbehalte. Wie lassen sich die überwinden? Sabine Froning, Fernwärme-Expertin bei Communication Works, hat gerade den Euroheat & Power Kongress im schottischen Glasgow besucht und dort einige Ideen vorgestellt.

29. Mai 2017

Was macht das Thema Fernwärme in Großbritannien interessant für Communication Works?

Fernwärme ist in Großbritannien weitgehend unbekannt und hat nur einen Anteil von etwa zwei Prozent an den Heizsystemen. Die britische Regierung will diesen Anteil aus Klimaschutzgründen steigern. Um das zu erreichen, müssen viele von den Vorzügen dieser Technologie überzeugt werden: Stadträte, Hausbesitzer, Mieter – eine große und großartige kommunikative Herausforderung!

 

Warum wäre Fernwärme eine gute Lösung für Großbritannien?

Heizen ist der größte Energieverbraucher im Haushalt und verwendet heute noch zum großen Teil fossile Brennstoffe. Aber Öl- und Gasheizungen werden sehr bald ausgetauscht werden müssen, wenn wir den Klimawandel aufhalten wollen. Das ist eine riesige Möglichkeit für die Fernwärme, besonders in dicht besiedelten Gegenden. Sie ermöglicht die Verwendung aller Arten von Abwärme, die sonst ungenutzt verpuffen, und den Ausbau erneuerbarer Energien.

 

Auf dem Kontinent ist Fernwärme etabliert. Warum nicht in Großbritrannien?

In vielen Ländern auf dem Kontinent ist Fernwärme eine anerkannte Lösung zum Heizen von Haushalten. Besonders nach den Ölkrisen der 70-er und 80-er Jahre ist sie als energieeffiziente Alternative zu Öl und Gasheizungen wahrgenommen worden und hat zweistellige Wachstumsraten erreicht. In Großbritannien, das im Unterschied zu den meisten anderen Ländern eigene Gasvorkommen hat, ist es dazu nicht gekommen.

 

Wie sollen die Briten dann jetzt für Fernwärme begeistert werden?

Man muss die Herzen und Köpfe der Menschen gewinnen. Sonst wird man nicht weit kommen – trotz aller politischen Abichten. Energieversorger und Stadtverwaltungen können heute nicht mehr für die Menschen entscheiden, sondern müssen sie beteiligen. Dabei sind Bürger und Kunden keine einheitliche Masse. Der erste Schritt muss daher sein, genau zuzuhören und herauszufinden, was für jede Gruppe relevant ist.

 

Sollte es nicht reichen, einfach die Vorteile von Fernwärme darzustellen?

In unserer liberalisierten und dezentralen Energielandschaft, in der Menschen immer größeres Interesse an eigener Energieproduktion entwickeln, haben Großkraftwerke und zentralisierte Systeme ein Akzeptanzproblem. Viele Menschen stört der Gedanke, in einem Fernwärmenetz von einem einzigen Betreiber abhängig zu sein und wenig Einfluss auf den Preis oder auf den Energiemix zu haben. Bevor man den Leuten etwas erzählt, sollte man ihre Bedenken und Erwartungen kennen.

Sabine Froning und Ivo Banek auf dem Podium in Glasgow

 

Auf der Konferenz in Glasgow haben Sie zusammen mit Ivo Banek einige Ideen für den Umgang mit Vorbehalten vorgestellt.

Communication Works hat in zwei Workshops mit dem Verband für dezentrale Energieerzeugung in Großbritannien, der die Fernwärmebranche vertritt, mögliche Maßnahmen ermittelt, negative Einstellungen zu verändern: Was können Fernwärmebetreiber anbieten, wie können sie künftige Kunden ansprechen, was können sie sagen? Diese Szenarios, die wir gemeinsam mit den Experten erarbeitet haben, wurden dann in einer repräsentativen Umfrage in der britischen Bevölkerung getestet – mit einer wissenschaftlichen Methode, die wir gemeinsam mit der Handelshochschule Stockholm entwickelt haben.

 

Was waren die Ergebnisse?

Wir haben interessante Optionen für jede Altersgruppe in den Bereichen Preis- und Tarifangebote, Beteiligung und Nachhaltigkeit gefunden. Was uns am meisten überrascht hat: Obwohl die Kosten für die Menschen eine große Rolle spielen, sind es nicht Preisaufsicht und Verbraucherschutz, die ihre Einstellung positiv verändern würden. Wesentlich wirksamer sind Maßnahmen, die die Lebensqualität erhöhen, sowohl in sozialer Hinsicht wie im Blick auf Umweltschutz.

 

Wie können Unternehmen diese Methode zur Geschäftsentwicklung und Beteiligung nutzen?

Energiekonzerne sind es gewohnt, aus einer Systemperspektive zu entscheiden, und haben Schwierigkeiten, Nicht-Fachleute dabei mitreden zu lassen. Unsere Methode gibt ihnen die Möglichkeit, ihre eigenen Vorstellungen auf den Prüfstand zu stellen und die Erwartungen der Gesellschaft zu nutzen, ihr Angebot im Sinne aller zu verbessern. Aber die Analyse ist nur der erste Schritt bei dem, was wir „Community Scouting“ nennen. Die nächsten Schritte sind eine Kommunikations- und Engagements-Strategie – da wird es dann auch für uns bei Communication Works richtig interessant.

 

Sie waren viele Jahre selbst Teil der Fernwärme-Szene in Europa. Was haben Sie persönlich von der Konferenz in Glasgow mitgenommen?

Vor allem war es schön, viele Kollegen und Freunde wiederzutreffen. Zum Glück ist die Gemeinde der Fernwärme-Fans sehr treu, so dass ich viele noch kannte. Aber es gab auch viele neue Gesichter, das zeigt mir, dass die Branche weiter wächst und sich erneuert. Außerdem war dies mein erster Besuch in Schottland, und ich habe die wunderbaren Begegnungen mit Menschen und Kultur genossen, besonders die Offenheit und freundliche Direktheit der Schotten.

 

Sehen Sie Sabine Froning und Ivo Banek in Glasgow (auf Englisch)

Communication Works Präsentation in Glasgow (auf Englisch)