Teilhabe an der Energiewende
Nationale und internationale Untersuchungen zur Akzeptanz der Energiewende sprechen eine eindeutige Sprache: Eigentlich kann es gar keinen Zweifel geben, dass die Umstellung des Energiesystems auf erneuerbare und dezentral eingesetzte Energieträger gewollt ist. Eigentlich.
29. Januar 2019
Projektverantwortliche reagieren oft mit Unverständnis, wenn sich bei konkreten Projekten Widerstand regt. Schließlich wurden doch alle Genehmigungen eingeholt und alle Ansprüche gesichert? Warum wollen Bürger eigentlich nicht einsehen, dass das Projekt einem guten Zweck dient? Wenn auch das letzte Argument nicht überzeugen konnte, dann werden die eigenen Interessen notfalls auf dem Rechtsweg durchgesetzt. Dabei gilt selbst bei guten Erfolgschancen vor Gericht: Legalität und Legitimität sind zwei Paar Schuhe. Beispiele wie Stuttgart 21, die Elbphilharmonie oder der Hambacher Forst machen das überdeutlich.
Sind denn die Bürger nicht auch unehrlich, wenn sie sich einerseits für die Energiewende aussprechen, auf der anderen Seite aber Projekte in der eigenen Nachbarschaft ablehnen? Um diesen Widerspruch zu verstehen lohnt es sich, Akzeptanz-Studien genauer anzusehen. Neben Umweltschutz und sozialen Fragen wird nämlich häufig noch ein anderer wichtiger Faktor, eine andere Motivation dafür genannt, warum man die Energiewende befürwortet. Viele Bürger sehen in der neuen Energiewelt die Möglichkeit sich selbst zu engagieren, Einfluss zu nehmen auf wichtige Weichenstellungen für die Zukunft. Sie wollen moralische, wenn nicht sogar finanzielle Teilhabe. Sie wollen nicht nur gefragt, sondern auch gehört und einbezogen werden. Nicht umsonst haben in den letzten Jahren Bürgerenergieprojekte und Genossenschaften in ganz Europa an Dynamik gewonnen. Meist motiviert durch die Aussicht auf Unabhängigkeit von herkömmlichen Versorgungsunternehmen sowie einer besseren Kostenkontrolle.
Es gibt also gute Gründe, nach anderen Möglichkeiten der Beteiligung und Zusammenarbeit mit Interessengruppen zu suchen. Nachhaltige Geschäftsmodelle sehen in Bürgern nicht nur potenzielle Kunden, sondern ihre Community.
Von Nimby zu Yimby
Eine der Möglichkeiten, eine Community um sich zu scharen, ist Crowdfunding. Crowdfunding ist eine alternative Form der Projektfinanzierung, indem kleine Geldbeträge von einer großen Anzahl von Menschen über webgestützte Plattformen gesammelt werden. Entstanden um die Jahrtausendwende aus einer Graswurzelbewegung, ist Crowdfunding zu einer wertvollen Finanzierungsalternative für innovative Unternehmen geworden. 2016 belief sich dieser Markt bereits auf 7.6 Milliarden Euro.
Der europäische Verband für Fernwärme und Fernkälte, Euroheat & Power, hat sich im Rahmen des von der EU geförderten Projekts Tempo damit befasst, welche Rolle Crowdfunding für künftige Nah- und Fernwärmeprojekte spielen könnte. „Der Schlüssel für den Einsatz von Crowdfunding bei Energieprojekten (insbesondere Fernwärme und -kühlung) ist der Zugang zu Finanzmitteln und öffentlichem Engagement“, so das Fazit der Studie. „Es ist ein innovatives Instrument mit einer Doppelfunktion: zum einen werden die institutionellen Finanzierungsquellen unterstützt, zum anderen Beteiligung und Kommunikation befördert. Crowdfunding-Plattformen haben die Stärke, die Bürger einzubeziehen, die Wirkung neuer Projekte zu maximieren, das Bewusstsein der lokalen Interessengruppen zu schärfen und gleichzeitig Lizenzgebühren und Einnahmen gleichmäßiger zu verteilen.
Während Crowdfunding sowohl Genossenschaften als auch Versorgungsunternehmen helfen kann, Geld von ihren lokalen Gemeinschaften zu erhalten, muss ein wesentlicher Teil des Prozesses stattfinden, lange bevor die Menge überhaupt gefunden wird. Was erwarten die „Crowdfunder“ in Bezug auf Transparenz, Geschäftsmodell und Management?
Untersuchungen von Communication Works und praktische Erfahrung zeigen, dass es vielen Menschen stärker um soziale Vorteile für die Gemeinschaft geht als den eigenen Vorteil. Gemeinschaftsdienliche Projekte werden daher stärker unterstützt. Was aber genau jeden Einzelnen bewegen kann, sich vom potenziellen Gegner in einen Unterstützer zu verwandeln, gilt es vorab herauszufinden. Genau darauf zielt Community Scouting ab.
Die Studie wurde von Dr. Chiara Candelise, Energieökonomin und Politikerin, durchgeführt. Sie ist Forscherin an der Bocconi University (Italien) und dem Imperial College London (UK) sowie Gründerin und CEO von Ecomill s.r.l., einer italienischen Crowdfunding-Plattform für Aktien, die sich auf den Energiesektor konzentriert.
Hier geht es zur Crowdfunding Studie