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Biomasse-Reputation

Ende der Schonzeit

Zum Auftakt der World Sustainable Energy Days im österreichischen Wels, brachte Communication Works‘ Managing Partner Sabine Froning auf der Pellets-Konferenz die Botschaft, dass die Biomasse-Branche sich Image-Herausforderungen gegenüber sieht, die sich durch die simple Verbreitung guter Nachrichten nicht in Luft auflösen werden. Wir haben sie gefragt: Was soll die Branche denn tun?

13. März 2018

 

CW: Sabine, der Programmteil, an dem du teilgenommen hast, hieß „Wie machen wir Pellets wieder cool?“ Was läuft denn falsch mit den Pellets?

SF: Wenn ein Programmteil so heisst, geht es nicht um die Temperatur, sondern um die Entwicklung über die Zeit. Es gab eine Zeit, da waren Pellets cool und wurden als eine der wichtigsten Säulen des Klimawandels gehandelt. Heute sieht man Biomasse eher als einen Teil des Problems.

CW: Was ist passiert? Gibt es neue wissenschaftliche Erkenntnisse?

SF: Nein, nicht wirklich. Aber die Schonzeit ist eben vorbei. Die Nachfrage und der Verbrauch sind um einiges gestiegen. Wenn eine Branche nicht mehr nur in der Nische  aktiv ist, gibt es mehr Aufmerksamkeit, sie wird skeptischer beäugt. Und mit dem Erfolg kam für die Biomassebranche die größte Herausforderung: die Nachfrage kann nicht immer lokal gedeckt werden, und je länger die Lieferkette, umso anfälliger ist sie.

CW: Worum geht es genau bei der Lieferkette?

SF: Nun, das Holz stammt inzwischen aus allen Ecken der Welt, und es hat sich eine lebhafte Diskussion darüber entzündet, ob diese Wälder wirklich alle nachhaltig bewirtschaftet werden oder ob nicht vielmehr die Biomassenutzung zur Abholzung beiträgt. Rumänien und einige Regionen in den USA standen auf der Anklagebank. Ausserdem ist da die Frage der Landnutzung, und in einigen Fällen geht es sogar um die Missachtung von Menschenrechten.

Mit Kritik auseinandersetzen

CW: Und deshalb ist Biomasse jetzt uncool? Ist denn nicht Biomasse im Gegenteil eine riesige Erfolgsstory? Der Absatz geht doch seit Jahren immer weiter nach oben?

SF: Risiken im Zusammenhang mit der Lieferkette gehören zu den grössten Reputationsrisiken überhaupt, sie kommen direkt nach Korruption, Kinderarbeit und unlauteren Verkaufsmethoden… Den Erwartungen nicht gerecht zu werden, kann ein Projekt oder sogar eine ganze Branche die berühmte „Licence to operate“ kosten. Es ist kein Zufall, dass das Managen von Risiken in der Lieferkette in fast allen Branchen zur obersten Priorität geworden ist. Unternehmen verlieren Millionen aufgrund von Strafzahlungen und Vorkommnissen, die ihrem Ruf schaden. Bestechung, Kinderarbeit und eben auch das Abholzen wertvoller Wälder können eine Marke so beschädigen, dass der Reputationsverlust Millionen kostet. Selbst wenn es nur einige wenige schwarze Schafe gibt, leidet im Zweifelsfall der Ruf einer ganzen Branche.

CW: Es muss aber doch auch genügend gute Geschichten geben, oder nicht? Warum zeigt die Biomasse-Lobby nicht einfach, wie gut das Produkt immer noch ist?

SF: Ja, natürlich gibt es die. Sie befinden sich auf den Webseiten aller nationalen und internationalen Branchenverbände. Die sind gut darin, Lobeshymnen auf die Biomasse zu singen. Und natürlich findet man solche auch in den Fachmedien.

CW: Und warum nicht in den Massenmedien?

SF: Massenmedien und Menschen haben daran einfach kein Interesse. Sie wollen Antworten auf die kritischen Fragen – nicht Eigenlob. Man kann den Menschen nicht vorschreiben, wonach sie zu fragen haben. Um es kurz zu machen: eine Story ist nur gut, wenn sie einen Nerv trifft. Wie auch immer die Kritik aussehen mag, man kann nicht einfach darüber hinweg gehen, man muss sich damit auseinandersetzen.

CW: Was meinst du mit „auseinandersetzen“? Warum sollte man mehr an Kritik als an Lob interessiert sein?

SF: Sorgen ernst nehmen und darauf antworten. Die Menschen machen sich Gedanken über den unersättlichen Hunger nach Holz riesiger Anlagen wie Drax in Großbritannien? Dann muss sich die Biomasse-Branche dazu positionieren! In Rumänien werden illegal Wälder abgeholzt? Dann muss die Branche beantworten, wie sie mit dieser fehlerhaften Umsetzung europäischer Gesetzgebung umgehen will! US-Medien kritisieren, dass Biomasse-Exporte nach Europa amerikanische Wälder in Gefahr bringen? Dann ist es an der Zeit zu erläutern, wie groß der Umfang der Importe eigentlich ist, und wie der Sektor daran arbeitet sicherzustellen, dass die Wälder geschützt werden. Letztlich findet keine Geschichte einen Resonanzboden, wenn sie keinen Bezug zu dem hat, worüber die Leute sich Sorgen machen.

 

Digitalisierung macht den Vertrauensverlust deutlich

 

CW: Wie beeinflußt der Wechsel zu digitalen und sozialen Medien das Image der verschiedenen Energiequellen?

SF: Die Digitalisierung hat zu einem Ausmass an Informationszugänglichkeit, Dezentralisierung und direkter Einflussnahme von Bürgern auf konkrete Entscheidungen geführt, das man nie für möglich gehalten hätte. Sie hat das Verhältnis zwischen Bürgern und jeder Art von Unternehmen oder Autorität radikal verändert. Sie macht deutlich, wie sehr sich der Verlust von Vertrauen in institutionelle Prozesse und deren Legitimität  in den letzten Jahren beschleunigt hat.

CW: Ist die Energiewende diesem Vertrauensverlust zum Opfer gefallen? Was hat das mit Biomasse zu tun?

SF: Nein, Studien zeigen, dass die Unterstützung für die Energiewende in der Bevölkerung nach wie vor groß ist. Aber es bedeutet, dass der Erfolg jeglichen bestehenden und künftigen Energieprojekts davon abhängt, dass die Unternehmen besser verstehen, wie der Bürger-Verbraucher die jeweilige Technologie sieht.

Was denken die Menschen, welchen Stellenwert die Biomasse künftig haben sollte? Was sind ihre Vorbehalte? Was geht auf gar keinen Fall? Was muß sichergestellt sein? Was ist ihnen neben der Energie- und Klimafrage wichtig? Was ist für sie lokal von Bedeutung? Was muss getan werden, um sie für sich zu gewinnen? Auf welche Argumente sprechen sie an und auf welche überhaupt nicht? Gibt es Unterschiede zwischen Altersgruppen, Geschlechtern, Einkommen, Erziehung? Welche Szenarien werden kontrovers gesehen? Welche Szenarien sind dazu geeignet, Konsense zu gestalten?

 

Wahrnehmung ist Realität

 

CW: Jeder redet von Beteiligung und Kundenfokus. Was verstehst Du darunter, Sabine?

SF: Wie konstruktiv und effektiv man sich in diesen Fragen im direkten Dialog engagiert, wird für den Erfolg der Branche entscheidend sein. Egal wie falsch die Leute der eigenen Meinung nach liegen: Wahrnehmung ist Realität! Seine Stakeholder zu kennen und wahrer Dialog sind Chancen, zu lernen und das eigene Geschäftsmodell zu verbessern. Nur so geht es.

CW: Was aber, wenn die Menschen wirklich sehr kritisch sind. Warum sollte man denn seine Gegner zum Dialog einladen?

SF: (Lacht) Im Gegenteil. Je kritischer ein Thema ist, umso wichtiger ist es, früh in einen konstruktiven Dialog mit den Gegnern und Stakeholdern zu treten, egal wie positiv oder negativ sie eingestellt sind. Nur so kann man nachhaltige Lösungen finden. Die Erwartungen der Gesellschaft nicht zu erfüllen, birgt für Entwickler, Eigentümer und Betreiber ein großes Risiko, sich starkem Widerstand gegenüber zu sehen. Widerstand der im Netz viral wird, bringt Gesetzgeber zum Handeln und kann die Branche ihre Existenzberechtigung kosten. Wem es dagegen gelingt, seine Kunden zu einer Community zu machen, hat gute Chancen, eine nachhaltige Geschäftsbasis zu schaffen. Wenn Entwickler, Betreiber und Entscheidungsträger künftige Kunden involvieren und als ihre wichtigsten Partner betrachten, könnten Pellets sogar in der Tat wieder etwas cooler werden.

 

Community Scouting – Bürger zur Community machen 

 

CW: Sabine, Ihr bietet eine Methode an – ein Werkzeug – wie man mit solchen Fragen umgehen kann. Kannst du das erklären?

SF: Communication Works hat in Zusammenarbeit mit der Stockholm School of Economics eine wissenschaftliche Methode für Stakeholder-Beteiligung auf Basis von Szenarienarbeit entwickelt: „Community Scouting.“ Sie zielt darauf ab, Experten in die Lage zu versetzen, Sichtweisen und Erwartungen von Nicht-Experten zu verstehen und mit ihnen in einen Dialog zu treten. Im Kern geht es darum, über Szenarien-Entwicklung zu erfassen, wie Stakeholder auf bestimmte Handlungen und Botschaften (was eine Organisation sagt oder tut) reagieren werden und darauf einzugehen. Anhand der Ergebnisse kann die Analyse immer weiter vertieft werden. Communication Works entwickelt dann mit dem Kunden Strategien, um die Schnittmenge zwischen Experten und wichtigen Interessengruppen zu vergrößern und größere Akzeptanz zu gewinnen.

CW: Ist für die Biomasse-Branche schon einmal irgendwo ein Community Scouting durchgeführt worden?

SF: Nein, bisher nicht. Die Ergebnisse früherer Untersuchungen, die wir im Bereich der Wärmeversorgung durchgeführt haben, lassen einige vorläufige Schlussfolgerungen zu. Aber deswegen bin ich nach Wels gekommen: Ich bin der festen Überzeugung, dass Community Scouting für die Biomasse-Branche ein perfektes Werkzeug wäre, um herauszufinden, wie Pellets wieder cooler werden könnten…

WSED Präsentation

Community Scouting

Das Interview führte Niels Reise.