communication works

Interview energieeffiziente Beleuchtung

Psychologie des Wandels

Energieeffizienz muß zwei Drittel dessen beitragen, was nötig ist, um die globale Erwärmung unter 2°C zu halten. Das sagen die Internationale Energieagentur und der Weltklimarat. Mit insgesamt fast 30 Milliarden Beleuchtungspunkten – vier pro Mensch – auf unserem Planeten spielt Beleuchtungstechnik eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels, sagt Harry Verharr von Signify. In einem Interview mit Communication Works erläutert Verhaar: Rationale Argumente reichen für die Energiewende nicht aus. Der entscheidende psychologische Faktor heißt soziale Einbindung. 

18. Januar 2019

 

Harry, was sagst du zum Ausgang von COP24?

Die Umsetzung des Paris-Abkommens geht viel zu langsam voran. Meiner Meinung nach gibt es dafür zwei Gründe: der Klimawandel wird nicht als Bedrohung für die Menschheit gesehen. Und es wird nicht als einzigartige Chance gesehen, ein wohlhabenderes und sozialeres 21. Jahrhundert zu gestalten.

 

Was meinst du mit „sozialer“?

Wenn wir nachhaltigere Technologien einsetzen, können wir der ganzen Menschheit bezahlbarere Dienstleistungen anbieten. Wir konzentrieren uns sehr darauf, Beleuchtung effizienter zu machen. Aber es gibt 1.1 Milliarden Menschen, die überhaupt keinen Zugang zu Energie haben. Wenn wir nachhaltigere Technologien wie z.B. Solarlampen anbieten können, können wir die Ausgaben für Kerosin drastisch verringern. Und Kinder können ihre Schulaufgaben machen. Darum bedeutet mehr Nachhaltigkeit auch einen stärkeren sozialen Zusammenhalt.

 

Die Bewegung der Gelbwesten scheint das anders zu sehen. 

Der ganze psychologische Aspekt ist etwas, womit wir uns mehr beschäftigen müssen. Es geht nicht nur um die rationale Entscheidung, warum es Sinn macht, auf nachhaltige Energie umzustellen. Wir müssen uns damit beschäftigen, wie wir die Energiewende zu einer nachhaltigen Transformation unserer Gesellschaft machen. Es liegt also noch viel Arbeit vor uns. Die sozialen Unruhen, die wir gerade erleben, sind sonst nur die Spitze des Eisbergs. Ein Beispiel: Fossile Energie wird doppelt so hoch subventioniert wie eneuerbare Energie. Je länger wir also warten und je länger wir zögern, das zu tun, was uns mehr Wohlstand bringen kann, desto mehr riskieren wir, den Wandel nicht zu schaffen und einschneidendere Disruptionen zu erleben.

 

Bei den World Sustainable Energy Days hältst du einen Vortrag auf der Smart E-Mobility Konferenz. Was hat Beleuchtung mit Elektromobilität zu tun?

Beleuchtung und Mobilität sind in mehrfacher Hinsicht miteinander verbunden. Zum einen muß Beleuchtung zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen. Laut IPPC und IEA muß Energieeffizienz muß die Hälfte bis zwei Drittel des Jobs machen, die Erderwärmung auf unter 2°C zu begrenzen. Das heißt, dass die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden beschleunigt werden muß. Dadurch können wir Strommengen für die Elektrifizierung des Verkehrs bereitstellen. 85% des Stroms für Beleuchtung wird in Gebäuden genutzt. Die Sanierungsrate liegen derzeit bei etwas über 1% jährlich, müßte aber eigentlich bei 3% liegen. Wenn wir das nicht schaffen, brauchen wir in zwei Jahrzehnten noch einmal soviel Strom wie wir heute verbrauchen für den Verkehr.

Zweitens, und das ist die gute Nachricht, sind all diese neuen Technologien digital. Sie machen sowohl die Infrastruktur als auch Gebäude intelligenter, z.B. indem sie eine besseres Lastmanagement für die Ladeinfrastruktur ermöglichen. Es gibt nicht nur die Verbindung zwischen Energie und CO2, sondern auch einen ganz praktischen Zusammenhang. Wenn Gebäude saniert werden, werden Ladestruktur und digitale Technologien eingebaut, die das Management der Elektroflotte unterstützen.

 

Digital ist das Schlüsselwort. Signify hat eine IoT Plattform entwickelt, die Datenverarbeitung und analytische Funktionen wie künstliche Intelligenz integriert. Sammeln Glühbirnen in Zukunft Daten? 

Ja. Vor einigen Monaten haben wir unsere offene IoT-Plattform mit dem Namen „Interact“ lanciert. Der Großteil des Stromnetzes beruht auf Beleuchtung. Beleuchtung war eine der allerersten Anwendungen von Strom. Die erste Stromanwendung unserer Urgroßeltern war eine Glühbirne. Insofern ist es eigentlich nur natürlich, dass Beleuchtung jetzt auch zum Rückgrat eines intelligenteren Netzes wird.

Wir haben Interact als offene Plattform konzipiert, damit andere Leute, Unternehmen und lokale Behörden zusätzliche Apps oder andere Dienstleistungen entwickeln können. So könnten zum Beispiel Laternen mit Sensoren zur Messung der Luftverschmutzung ausgerüstet werden. Alles mögliche ist denkbar, aber diese Art von Daten geht an die Nutzer und Eigentümer dieses anderen Anwendungen, nicht an uns.

Derzeit gibt es fast 30 Milliarden Beleuchtungspunkte auf der Welt. Wenn diese digitalisiert werden, kann das die Integration intelligenter Infrastruktur ganz schön beschleunigen. Damit läßt sich die Energieeffizienz verbessern, aber auch die Leistung von Anwendungen, die auf diese Infrastruktur aufgeschaltet werden.

 

In Los Angeles, ist Signify einer der Partner der Stadt bei der Entwicklung intelligenter Infrastruktur. Worum geht es bei diesem Projekt?  

Die intelligente Beleuchtung in Los Angeles spart Energie. Die Straßenbeleuchtung benötigt nur noch zwei Drittel der Strommenge, die zuvor verbraucht wurde. Das entspricht fast 10 Millionen Dollar jährlich. Gleichzeitig testet Los Angeles andere Sensoren für die Straßenbeleuchtung. Zum Beispiel die Triangulierung von Geräuschen. Das klingt kompliziert, aber laß mich versuchen, es an einem Beispiel zu erklären. Wenn Lampen in der Lage sind, Geräusche zu messen, können sie unmittelbar identifizieren, um was für ein Geräusch es sich handelte. War es ein Schuß? Oder ein Unfall? Über die intelligente Infrastruktur wird entweder die Polizei oder ein Krankenwagen gerufen, und beide können adäquater und schneller reagieren.

 

Siehst du kein Integritätsrisiko, wenn mit intelligenter Beleuchtung große Datenmengen gesammelt werden? 

Mit verfügbaren Daten, egal ob digital oder wie früher auf Papier muß immer mit größter Sorgfalt umgegangen werden, mit Sicherheitsvorkehrungen und vielerlei Protokollen.

LED-Lampen selbst ermöglichen was wir bessere vertikale Erkennung nennen. Der World Council of City Data, ein großer Zusammenschluss von Städten, der die Nachhaltigkeit von Städten mißt, hat die Auswirkungen von intelligenter Beleuchtung in zehn Städten, einschließlich Los Angeles und Buenos Aires gemessen. Die Ergebnisse bestätigen Energieeinsparungen in der Größenordnung von zwei Dritteln. Sie haben auch herausgefunden , dass nächtliche Verkehrsunfälle um dreißig Prozent und Straßenverbrechen wie Diebstahl, Körperverletzung und Raub um 21% zurück gegangen sind. Es gibt hier also großes Potenzial, städtische Dienstleistungen zu verbessern.

In Toronto wurde ein Smart City Projekt aufgrund von Widerstand aus der Bevölkerung gestoppt. 

Die Einzelheiten dieses Projekts sind mir nicht bekannt. Aber wie ich schon sagte, Interact ist eine offene Plattform. Wir betrachten das wirklich übergreifend: Wie können wir die Beleuchtungsleistung im Hinblick auf die Energierechnung und die CO2-Bilanz verbessern. Und wir helfen, Unfälle und Straßenkriminalität zu reduzieren, die Luftqualität zu überwachen oder den Verkehrsfluss zu leiten.

Man kann übrigens auch die Nutzung von Büroflächen überwachen und optimieren. Wenn Menschen ins Büro kommen, können die Lampen erfassen, wo Menschen sitzen und arbeiten und wo nicht. Dadurch kann das ganze Gebäude effizienter genutzt werden. Dadurch können Kosten gesenkt werden. Und wir sehen Beispiele von Städten, die durch die bessere Überwachung des Verkehrsflusses die Sicherheit verbessern können.

 

Wie oft warst du schon bei den World Sustainable Energy Days?

Ich bin seit 2006 schon sechs Mal dort gewesen.

 

Was ist der Grund für dich, immer wieder zu kommen?

2006 gab es noch nicht so viele Veranstaltungen wie heute, bei denen es um nachhaltige Entwicklung und Klimawandel ging. Anders ausgedrückt: die WSED und der Energiesparverband Oberösterreich mit Christiane Egger waren echte Pioniere. Sie waren die ersten, die den öffentlichen und den privaten Sektor zusammen gebracht haben, und das schätze ich sehr. Abgesehen von den spannenden Themen und Teilnehmern finde ich, daß man als Pionier Treue verdient.

Im März 2006 haben wir dort übrigens präsentiert, wieviel der Austausch von Glühbirnen in Gebäuden zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen kann. Das war sozusagen ein Vorspiel für Dezember 2006, als wir dazu aufgerufen haben, klassische Glühbirnen aus dem Markt zu nehmen. Das war ein symbolischer Moment, nur einen Monat nachdem Al Gore Film „Eine unbequeme Wahrheit“. Zu der Zeit bestanden zwei Drittel unseres Absatzes aus klassischen Glühbirnen. Und mit unserem Aufruf, sie vom Markt zu nehmen, haben wir als erstes Unternehmen das Ende eines Massenprodukts herauf beschworen, das wir selbst herstellten. Damit haben wir weltweit Schlagzeilen gemacht!

Im letzten Vierteljahr, bestanden 70% unseres Umsatzes aus LED und in 2020 werden alles LEDs, die wir auf den Markt bringen mit IoT verbunden oder verbindbar sein. Was wir daran sehen ist: Während in 2006 19% des Stroms weltweit für Beleuchtung genutzt wurden, waren es im letzten Jahr, 2018, nur noch 13% und in 2030 werden es nur noch 8% sein. Wir glauben, dass richtig ist, was wir tun, auch für das Überleben unseres eigenen Unternehmens.

 

Das Ende der klassischen Glühbirne hat allerdings auch in den Mitgliedstaaten für einigen Widerstand gesorgt. Die EU ist von den Bürgern für diese Entscheidung damals stark kritisiert worden. Was kann man daraus lernen? 

Ich glaube, was wir daraus gelernt haben – und das trifft für jeden Wandel zu – ist, daß es nicht nur einen rationellen Teil gibt, die Entscheidungen, die Gestaltung des Regelwerks, sondern daß es auch um Psychologie geht. Ich war an vielen Diskussionen über das Schicksal der Glühbirne beteiligt. Was wir sehen ist, daß Wandel immer schwierig ist, weil die Menschen deutlicher vor Augen haben, was sie meinen zu verlieren, während es schwer ist zu sehen, was man in der Zukunft gewinnen kann. Schließlich hat man das noch nicht. Auch der Übergang vom Verbrennungsmotor zum elektrischen Fahren hat man anfänglich für utopisch gehalten. Aber jetzt finden es die Leute cool und sogar bequemer.

Interessant ist, dass es in den Entwicklungsländern so gut wie keine Diskussionen über den Austausch von Glühbirnen durch LEDs gab. Dort geht man davon aus, daß jede Veränderung gut ist, weil man nicht viel zu verlieren hat. Aber in den wohlhabenderen Ländern gibt es diesen psychologischen Widerstand gegenüber dem Wandel.

 

Der Letzte macht das Licht aus, sagte man in den achtziger Jahren. Das sollte heißen: am effizientesten ist Beleuchtung, wenn sie ausgeschaltet ist. 

Ich denke, wenn Licht nicht gebraucht wird, sollte man es immer ausschalten. Digitale Beleuchtung kann das von selbst erledigen, wenn man es programmiert. Bei mir zuhause haben wir das abends so eingestellt. Wenn also jemand vergißt, das Licht auszumachen, geht es automatisch aus, sobald niemand mehr im Raum ist.

Licht ist nicht nur für das Leben auf der Erde wichtig. Digitales Licht ist wirklich wichtig für unsere Zukunft, da wir etwas gegen den Klimawandel tun müssen, und ist auch wichtig für den sozioökonomischen Wohlstand. Wir sollten das Licht also ausschalten, wenn wir es nicht brauchen, und es auf intelligente Weise nutzen, um die Lebensqualität der Menschen zu verbessern.

Harry Verhaar ist Head of Global Public &  Government Affairs bei Signify
(vormals Philips Lighting)

Das Interview wurde geführt von Sabine Froning und Niels Reise, Communication Works.

Die World Sustainable Energy Days finden vom 27. Februar bis 1. März in Wels, Oberösterreich statt

Programm und Anmeldung unter www.wsed.at